3. Unterscheidung zwischen digitalisiertem und körperlichem Werkstück Während körperliche Vervielfältigungsstücke dem Nutzer bestimmte Indizien mit hinreichender Wahrscheinlichkeit offenbaren, dass die Vorlage rechtswidrig hergestellt wurde, trifft dies auf digitalisierte Werke im Internet ge- rade nicht zu. Als Indizien der rechtswidrigen Herstellung körperlicher Vorlagen nennt Dreier bspw offensichtliche Qualitätsunterschiede zwischen Originalwerk und unzu- lässiger Kopie.39 Hinsichtlich eines digitalen Filmwerks hielt das OLG Düsseldorf hingegen fest, dass selbst die Bezeichnung „DVDRip“ im Dateinamen keinen Rückschluss auf die Zulässigkeit der Vorlage erlaube, weil dadurch bloß aus- gedrückt werde, dass es sich um eine von einer DVD aus- gelesene Datei handle.40 Dem Nutzer, der sich dieser Vor- lage zu privaten Zwecken bediene, würden daher keine Begleitumstände augenscheinlich, die mit ausreichender Sicherheit auf eine rechtswidrige Herstellung hindeute- ten. Offensichtlich werde dem Nutzer die rechtswidrige Herstellung der Quelle nur dann sein, wenn bekannt sei, dass der Rechteinhaber die Herstellung von Privatkopien mittels technischer Schutzmaßnahmen41 ausgeschlossen habe.42 C. Unionsrechtskonformität In Österreich sind die Meinungen hinsichtlich der Unions- rechtskonformität des aus der deutschen Vorbildbestim- mung übernommenen Offensichtlichkeitskriteriums ge- spalten. Walter bemängelt die Übernahme der deutschen Regelung inklusive des Kriteriums der Offensichtlichkeit ins österr Recht, weil diese nicht exakt der vom EuGH geforderten Differenzierung zwischen rechtmäßigen und unrechtmäßigen Vorlagen entspricht.43 Handig44 und Ze- mann45 schließen sich dem Zweifel an der Unionsrechts- konformität der aktuellen Fassung des § 42 Abs 5 UrhG an, weil der EuGH – anders als die geltende österr und deutsche Rechtslage – nicht darauf abstellt, ob die Un- rechtmäßigkeit der Vorlage für den Nutzer erkennbar war. Burgstaller/Wrann argumentieren hingegen unter Ver- weis auf die E Murphy des EuGH, dass trotz gebotener enger Auslegung der aufgelisteten Ausnahmen und Be- 39 Dreier in Dreier/Schulze, Urheberrechtsgesetz6 § 53 Rz 12a. 40 OLG Düsseldorf 6. 7. 2010, I-20 U 8/10, Rapidshare II, MMR 2010, 702 = ZUM-RD 2010, 599. 41 Zum Schutz technischer Maßnahmen nach deutscher Rechtslage vgl §§ 95a f dUrhG. 42 Pleister/Ruttig, Neues Urheberrecht – neuer Kopierschutz – An- wendungsbereich und Durchsetzbarkeit des § 95a UrhG, MMR 2003, 763 (765). 43 Walter, Stellungnahme zu Entwurf, 83/SN 132/ME 25. GP 9. 44 Handig, Urheberrechts-Novelle 2015 – „Was lange währt, wird endlich gut“? ÖBl 2015, 200 (202). 45 Zemann in Kucsko/Handig, urheber.recht2 (2017) § 42 Rz 16. ipCompetence Vol. 24 51 schränkungen46 die Wirksamkeit dieser Sonderbestim- mungen gewahrt werden muss.47 Ohne Berücksichtigung der Erkennbarkeit einer unrechtmäßigen Vorlage, würde dies der Privatkopieausnahme den Anwendungsbereich entziehen, weil selbst schuldlos handelnde Nutzer stets Gefahr laufen würden, eine Urheberrechtsverletzung zu begehen.48 » „Der EuGH erklärt nationale Um- setzungsvorschriften für unzulässig, die in keiner Weise zwischen recht- mäßigen und rechtswidrigen Quellen unterscheiden.“ Die der E ACI Adam zugrundeliegenden Vorlagefragen betreffen die Auslegung von Art 5 Abs 2 lit b InfoRL, der den Mitgliedstaaten die Möglichkeit einräumt, das aus- schließliche Vervielfältigungsrecht des Rechteinhabers49 durch Einführung der Privatkopieausnahme zu beschrän- ken und den in der InfoRL normierten Drei-Stufen-Test.50 Eingangs hält der EuGH fest, dass die InfoRL das Grund- prinzip des ausschließlichen Vervielfältigungsrechts des Urhebers aufstellt51 und Art 5 Abs 2 InfoRL den Mitglied- staaten die Möglichkeit gewährt, aus den dort taxativ auf- gezählten Ausnahmen und Beschränkungen des Verviel- fältigungsrechts zu schöpfen.52 Da solche Ausnahmebestimmungen nach der stRsp des EuGH grds eng ausgelegt werden müssen,53 gelangt der EuGH zu dem Schluss, dass nationale Umsetzungsvor- ISd in Art 5 InfoRL. 46 47 EuGH 4. 10. 2011, C-403/08, Murphy, Rz 163, ecolex 2012/32, 68 (Thyri) = jusIT 2012/21, 49 (Staudegger) = ZfRV-LS 2011/66, 256 = wbl 2012/8, 40 = ecolex 2012, 184 = UVS-Slg 2011/245, 182 = MR 2011, 272 (Wittmann). 48 Burgstaller/Wrann, ÖBl 2016/4, 12 (17). 49 Vgl Art 2 InfoRL. 50 Art 5 Abs 5 InfoRL. EuGH 10. 4. 2014, C-435/12, ACI Adam, Rz 1, jusIT 2014/44, 88 (Staudegger) = MR-Int 2014, 42 (Walter) = ecolex 2014/297, 727 (Zemann) = ÖBl 2014/49, 232 (Burgstal- ler/Ladler) = wbl 2014/174, 519 = ZIR-Slg 2014/78 = ecolex 2014, 578 = RdW 2014/266, 245 = ecolex 2014, 541 (Tonnin- ger/Albrecht) = MR 2014, 171 (Kraft). 51 Vgl Art 2 InfoRL. 52 EuGH 10. 4. 2014, C-435/12, ACI Adam, Rz 21, jusIT 2014/44, 88 (Staudegger) = MR-Int 2014, 42 (Walter) = ecolex 2014/297, 727 (Zemann) = ÖBl 2014/49, 232 (Burgstaller/Ladler) = wbl 2014/174, 519 = ZIR-Slg 2014/78 = ecolex 2014, 578 = RdW 2014/266, 245 = ecolex 2014, 541 (Tonninger/Albrecht) = MR 2014, 171 (Kraft). 53 Vgl EuGH 16. 7. 2009, C-5/08, Infopaq, Rz 56, MR-Int 2009, 56 = MR-Int 2009, 91; EuGH 26. 10. 2006, C-36/05, Rz 31, ZER 2007/376, 89; EuGH 29. 4. 2004, C-476/01, Rz 72, ZER 2005/128, 81. 51